23.11.2015

 

“ATFEX 2015“ –

Vollübung der Analytischen Task Force am Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen in Münster.

 

Die diesjährige Übung „ATFEX 2015“ der Analytischen Task Force (ATF) fand unter der Leitung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen (IdF NRW) in Münster statt. Die ATFEX bietet der ATF die Möglichkeit, unter realitätsnahen Bedingungen zu üben und so ihre Einsatzstrategien zu erproben und zu verbessern. 40 Einsatzkräfte der ATF wurden im November 2015 beim IdF NRW mit verschiedenen Szenarien konfrontiert, in denen es um die Probenahmen und die Analytik unbekannter chemischer Stoffe ging. So waren z.B. die Chemikalienbestände in einem illegalen Kellerlabor zu identifizieren und die Ursachen für die Verletzung von Arbeitern in einer Lagerhalle für chemische Stoffe aufzudecken. Fünf Experten für chemische Analytik vom Labor SPIEZ des Schweizer Bundesamts für Bevölkerungsschutz (BABS) unterstützten dabei die ATF Teams.

 

ATFEX ist die Abkürzung für ATF EXercise (engl.: Übung). Die ATFEX wird alle zwei Jahre vom BBK an unterschiedlichen Orten in Deutschland mit Einsatzkräften aus den sieben ATF-Standorten durchgeführt.

 

CBRN steht für „chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear“.

 

Teil­neh­mer und Be­ob­ach­ter der Übung AT­FEX 2015

Quelle: S. Gers­ten­hö­fer / Feu­er­wehr Mün­chen

 

Wenn bei einem Schadensereignis gefährliche Substanzen, z. B. giftige Chemikalien freigesetzt werden, sind in der Regel die Gefahrgut-Einheiten der örtlichen Feuerwehren für die Lagebewältigung zuständig. Je eher bekannt ist, welche Gefahrstoffe beteiligt sind, umso präziser lassen sich wirkungsvolle Gegenmaßnahmen einleiten. Die analytischen Ressourcen der örtlichen Feuerwehren sind jedoch begrenzt. Um die betroffenen Einsatzkräfte in schwierigen Einsatzlagen unterstützen zu können, wurde an sieben über das Bundesgebiet verteilten Standorten die sogenannte „Analytische Task Force“ (kurz ATF) eingerichtet. Diese Einheit besteht aus besonders ausgebildeten Einsatzkräften sowie spezieller Messtechnik für die Beurteilung von CBRN-Lagen und wird von den Feuerwehren in Hamburg, Dortmund, Köln, Leipzig, Mannheim und München sowie dem Landeskriminalamt Berlin vorgehalten.

 

Alle zwei Jahre werden die ATF-Einsatzkräfte aus den Standorten zusammengezogen, um gemeinsam zu üben. In diesem Jahr stellte das Institut der Feuerwehr (kurz IdF) NRW seine 2007 errichtete moderne Übungshalle für die Übung zur Verfügung. Hier konnten unter sehr realitätsnahen Bedingungen die Analytik und die Probenahme in Szenarien mit einem kriminellen Hintergrund (z.B. illegale Laboratorien) beübt werden.

 

Be­spre­chung der Ana­ly­se­er­geb­nis­se am mo­bi­len La­bor der ATF.

Quelle: IdF NRW

 

Su­che nach ra­dio­ak­ti­ven Quel­len durch ein ATF-Ein­satz­team.

Quelle: IdF NRW

 

Am ersten Tag durchliefen die Teams der ATF mehrere Ausbildungsstationen. Sie mussten z.B. radioaktive Stoffe aufspüren sowie die Inhaltsstoffe einer komplizierten Mischung aus sechs verschiedenen Chemikalien genau bestimmen. Der zweite Übungstag teilte sich in ein realistisch dargestelltes Strahlenschutzszenario und in die Darstellung eines illegalen „Kellerlabors“. Im ersten Teil mussten radioaktive Quellen, die von Unbekannten illegal entsorgt worden sind, durch gezielten Einsatz von Messtechnik gefunden und das genaue radioaktive Isotop bestimmt werden. Im Szenario „Kellerlabor“ galt es, die dort nachgestellte Synthese von chemischen Kampfstoffen z.B. mittels Infrarot- und Raman-Spektrometern oder GC/MS-Analytik in den mobilen ATF-Laboratorien aufzuklären.

 

Ein Ausschnitt aus der Messtechnik der ATF:
Die Erkennung radioaktiver Kontamination und eine erste Identifizierung der radioaktiven Elemente kann die ATF unter anderem mit einem tragbaren Gammaspektroskopie-Messgerät durchführen. Durch ein in das Gerät integriertes GPS-Modul kann gleichzeitig eine punktgenaue Lokalisierung der radioaktiven Kontamination erfolgen.

 

In Infrarot- bzw. RAMAN-Spektrometern werden chemische Substanzen mit Infrarot-Licht bzw. Laserstrahlung bestrahlt. Die Wechselwirkung mit diesem Infrarot-Licht bzw. der Laserstrahlung ist für viele Substanzen charakteristisch und lässt eine schnelle Identifikation zu.

 

Der Gaschromatograph-Massenspektrometer (GC/MS) ist eine Kombination aus zwei chemischen Analyseverfahren. Im Gaschromatograph (GC) werden Substanzgemische in Einzelsubstanzen aufgetrennt und zeitlich versetzt als leichter zu analysierende Reinstoffe dem Massenspektrometer (MS) zugeführt. Im MS werden die Substanzen gezielt mit Elektronen beschossen und dadurch in charakteristische Bruchstücke zerlegt. Durch den automatischen Vergleich der Fragmentmuster der Probe mit einer internen Datenbank im Gerät lassen sich die Ausgangssubstanzen identifizieren.

 

Ebenfalls am zweiten Übungstag begrüßten der Direktor des IdF NRW, Herr Berthold Penkert, und der Koordinator der ATF im BBK, Herr Dr. Roman Trebbe, den Präsidenten des BBK, Herrn Christoph Unger, und die stellvertretende Leiterin der Abteilung Gefahrenabwehr im Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, Frau Bettina Gayk, zu einem Besuch der übenden Einsatzkräfte. Bei einem Rundgang über das Übungsgelände konnten sie sich einen Überblick über die Ausstattung der Übungshalle des IdF und die Leistungsfähigkeit der ATF verschaffen.

 

v.l.n.r.: Dr. Ro­man Treb­be, Bert­hold Pen­kert, Chri­stoph Un­ger, Bet­ti­na Gayk, Chris­ti­an Schrö­der

Quelle: IdF NRW

 

Stv. Ab­tei­lungs­lei­te­rin Ge­fah­ren­ab­wehr im MIK NRW, Bet­ti­na Gayk, und
BBK-Prä­si­dent Chri­stoph Un­ger bei der Be­sich­ti­gung der Übungs­stel­le „Kel­ler­la­bor“

Quelle: IdF NRW

 

Auch am dritten Übungstag wurden die ATF-Teams mit chemisch-analytischen Aufgaben konfrontiert. Zum ersten Mal wurden bei der ATFEX 2015 die Feuerwehreinsatzkräfte zweier am IdF NRW zeitgleich durchgeführten Lehrgänge inzwei Szenarien eingebunden. Der B III, ein Lehrgang für hauptamtliche Gruppenführer, und der B VI, ein Führungslehrgang für den höheren feuerwehrtechnischen Dienst, bildeten gemeinsam zwei ABC-Züge. So konnte die Dynamik einer CBRN-Einsatzstelle z.B. durch die von den Lehrgangsteilnehmern übernommene örtliche Einsatzleitung sowie durch den Aufbau und den Betrieb eines Dekontaminationsplatzes realistisch dargestellt werden. Eine Beratung der örtlichen Einsatzleitung durch den Leiter ATF schloss diesen Übungsteil ab. Insgesamt waren rund 100 Personen an diesen Vollübungen beteiligt.

 

Ge­mein­sa­me La­ge­be­spre­chung der ATF mit der Ein­satz­lei­tung aus den Lehr­gän­gen B III und B VI.

Quelle: IdF NRW

 

Da die Analytische Task Force in zunehmendem Maße auch international zu Einsätzen gerufen wird und die Standorte dabei zusammenarbeiten müssen, wurden bei der Übung gemischte Teams gebildet. So konnten die ATF-Fachkräfte ihre Vorgehensweise bei der Analytik miteinander abstimmen.

 

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat die Standorte mit leistungsfähiger Messtechnik und Einsatzfahrzeugen im Gesamtwert von rund 10 Millionen Euro ausgestattet, es beteiligt sich an den Unterhaltskosten der Standorte und koordiniert die erforderliche Spezialausbildung. Wie das Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem (TUIS) der Chemischen Industrie unterscheidet die ATF bei einem Einsatz drei Stufen: 1. Telefonische Beratung, 2. Beratung durch einen Fachberater vor Ort, 3. Qualifizierte Probenahme, Detektion und Identifikation durch eigene Kräfte vor Ort.

 

Bei der letzten ATFEX im Jahre 2013 an der BBK-eigenen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) stand die Analytik von Industriechemikalien, wie sie bei einem Störfall in einer chemischen Produktionsanlage oder bei einem Gefahrguttransportunfall freigesetzt werden können, im Vordergrund.

 

 

www.bbk.bund.de

www.idf.nrw.de